Bekannte Science-Fiction-Motive neu erzählen

Heller Küchentisch mit einem futuristischen, transparenten Display in der Mitte. Darüber liegt der Text „Wenn aus Vertrautem Neues entsteht“.

Weltrettung, Megakonzerne, Alienkontakt: Was wirkt frisch – was wie ein Klischee?

Wenn ich Science-Fiction-Manuskripte begleite, stoße ich oft auf dieselbe Unsicherheit. Oft beginnen Geschichten mit einer starken Idee, und dennoch taucht später die Frage auf, ob das Motiv noch frisch wirkt oder schon zu vertraut klingt. „Kann ich das noch erzählen?“, fragen sich Autor*innen oft. „Ist das nicht ein Klischee?“
Diese Sorge ist nachvollziehbar. Kaum ein Genre arbeitet so häufig mit vertrauten Motiven wie die Science-Fiction.

Doch ein Motiv wird nicht dadurch frisch, dass es noch nie da war. Es wird frisch, wenn es sich persönlich anfühlt. Wenn klar wird, warum genau du davon erzählen möchtest.

Lass uns gemeinsam anschauen, wie vertraute Motive lebendig bleiben – und wie du spürst, wenn sie beginnen, sich zu wiederholen.


Was ein Motiv im Kern ausmacht

Viele Motive wirken erst dann abgenutzt, wenn sie nur noch als Hintergrund benutzt werden. Ein Konzern bleibt ein grauer Block, wenn er keine Auswirkungen auf deine Figuren hat. Ein Alienkontakt bleibt abstrakt, wenn niemand daran wächst oder scheitert.

Im Lektorat merke ich schnell, ob ein Motiv nur Kulisse ist oder ob es in den inneren Konflikt einer Figur eingreift. Erst dann bekommt es Gewicht.

Vielleicht geht es in deiner Geschichte gar nicht um die Rettung der Welt. Vielleicht geht es darum, dass eine Figur lernt, Verantwortung anzunehmen. Oder darum, dass sie nach Jahren des Schweigens eine eigene Haltung findet.

Wenn du den Kern findest, ordnet sich das Motiv ein. Es wirkt nicht mehr übergroß, sondern greifbar und erzählbar.

Woran du erkennst, dass ein Motiv trägt:
Die äußeren Ereignisse verändern die Figur sichtbar. Sie wird bedrängt, überrascht oder herausgefordert – nicht von der Größe des Motivs, sondern von dem, was sie darin erlebt.


Weltrettung: Wenn das Große sich im Kleinen zeigt

Weltrettung ist ein starkes Motiv, doch es erschlägt viele Geschichten. Viele Autor*innen wollen zeigen, wie schwer alles wiegt, und beginnen, Systeme, Technologien oder Bedrohungen auszuleuchten. Doch damit entfernt sich der Text oft von dem, was ihn tragen soll: der Erfahrung der Figuren.

Frische entsteht, wenn du die Perspektive verkleinerst. Wenn deutlich wird, was diese Welt für eine bestimmte Person bedeutet.

Eine leere Schule kann mehr über eine Bedrohung erzählen als ein ausführliches Kapitel darüber, woher sie kommt. Eine Szene, in der eine Figur begreift, dass es niemanden mehr gibt, den sie fragen kann, erzählt mehr über Verlust als jede Hintergrundbeschreibung.

Tipp:
Schreibe eine Szene, in der deine Figur die Bedrohung nicht sieht, sondern spürt – in einem Detail, das nur sie bemerkt. Der Fokus wird automatisch persönlicher.


Megakonzerne: Macht, die man anfassen kann

Konzerne tauchen in vielen Manuskripten auf. Meist als gesichtsloser Riese, der Ressourcen kontrolliert oder Menschen lenkt. Doch Macht wird erst dann interessant, wenn sie konkret wird.

Im Lektorat achte ich immer darauf, wie Macht im Alltag spürbar ist. Nicht auf globaler Ebene, sondern auf persönlicher.

Was darf eine Figur nicht sagen?
Welche Wahlmöglichkeiten wurden ihr genommen?
Welcher Preis steckt hinter einem scheinbaren Vorteil?

Konzerne werden frisch, wenn sie nicht abstrakt bleiben. Wenn eine Figur etwa einen Vertrag unterschreibt, den sie nicht versteht. Oder wenn sie merkt, dass eine kleine Entscheidung eine große Konsequenz hat.

Woran du erkennst, dass dein Konzern lebendig ist:
Menschen müssen sich mit ihm auseinandersetzen. Nicht theoretisch, sondern praktisch: beim Essen, beim Arbeiten, beim Schweigen.


Alienkontakt: Fremdheit, die sich nur langsam zeigt

Der Erstkontakt ist eines der ältesten Motive. Doch er wird nie langweilig, wenn er als Begegnung erzählt wird und nicht als Information.

Viele Texte erklären zuerst, was das fremde Wesen ist. Doch Spannung entsteht nicht durch Wissen, sondern durch Wahrnehmung.

Wie verändert sich der Raum, wenn etwas Fremdes da ist?
Was hört deine Figur zuerst: den Ton, ihr eigenes Atmen, Stille?
Bleibt sie stehen oder tritt sie einen Schritt zurück?

Ich sehe im Lektorat oft, wie viel stärker Szenen werden, wenn sie leise bleiben dürfen. Wenn ein Wesen keine Antworten gibt, sondern nur anwesend ist. Wenn Figuren lernen müssen, anders zu kommunizieren.

Tipp:
Schreibe die erste Begegnung ohne ein einziges erklärendes Wort. Nur Eindrücke. Erst danach darf jemand etwas sagen.


Wann vertraute Motive ins Klischee kippen

Ein Motiv wird dann zum Klischee, wenn:

● Figuren dieselben Entscheidungen treffen wie alle andren zuvor
● der Konflikt vorhersehbar wird
● das Motiv wichtiger wird als die Figuren
● du erklärst, statt etwas erlebbar zu machen

Viele Autor*innen rutschen ins Klischee, weil sie sich beim Schreiben auf das Motiv konzentrieren, nicht auf die Erfahrung darin. Doch das Neue entsteht dort, wo Figuren anders reagieren als erwartet – aber konsequent zu ihrem Charakter.

Woran du erkennst, dass dein Text lebendig bleibt:
Im Rückblick erscheint jede Handlung logisch, doch beim Lesen überrascht sie trotzdem.


Kleine Übung: Dein Motiv in drei Sätzen

Nimm dir dein zentrales Motiv und beantworte:

  1. Was ist das sichtbare Motiv?
  2. Welche menschliche Erfahrung steckt dahinter?
  3. Welche Veränderung entsteht für deine Figur?

Diese drei Sätze reichen oft schon, um die Richtung wiederzufinden.

Tipp:
Formuliere anschließend einen Satz darüber, was deine Figur falsch einschätzt. Dieser Satz hilft dir beim Schreiben überraschender, aber glaubwürdiger Entscheidungen.


Fazit

Science-Fiction lebt von vertrauten Motiven – doch sie muss sich nicht wiederholen.
Frische entsteht nicht durch Originalität, sondern durch Klarheit. Durch Nähe. Durch das Bewusstsein, warum du genau diese Geschichte erzählst.

Wenn du den inneren Kern deines Motivs erkennst, wird deine Geschichte automatisch persönlicher. Und genau dort entsteht der Moment, in dem etwas Vertrautes neu klingt.

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