
Als Lektorin sehe ich viele Manuskripte, die großartige Ideen haben – aber ihre volle Wirkung verpufft, weil sie zu viel erzählen (Tell), anstatt zu zeigen (Show). Das Ergebnis? Deine Leser bleiben distanziert und können sich nicht mit den Figuren identifizieren, Emotionen wirken flach, und Szenen verlieren an Intensität.
Doch keine Sorge: Show, don’t tell ist kein Hexenwerk! In diesem Artikel zeige ich dir, warum dieses Prinzip so wichtig ist und wie du es gezielt einsetzen kannst, um deine Geschichte lebendiger und packender zu machen.
Was bedeutet „Show, don’t tell“?
Das Prinzip „Show, don’t tell“ bedeutet, dass du deinen Lesern nicht einfach sagst, was passiert oder wie sich eine Figur fühlt, sondern es zeigst.
- Tell = Du gibst eine Information direkt weiter.
- Show = Du machst sie durch Beschreibungen, Handlungen und Dialoge spürbar.
Ein einfaches Beispiel:
- Tell: „Lisa hatte Angst.“
- Show: „Lisa umklammerte die Kaffeetasse so fest, dass ihr die Finger schmerzten. Ihr Atem ging flach, als Schritte im Flur näherkamen.“
Im ersten Satz erfahre ich, dass Lisa Angst hat. Im zweiten fühle ich sie mit ihr – ihre Körpersprache, die knappe Atmung, das drohende Geräusch. So entsteht Spannung und eine direkte Verbindung zur Figur.
Warum ist „Show, don’t tell“ so wirkungsvoll?
- Es bringt die Leser näher an die Figuren.
Gute Bücher lassen uns mitfühlen. Wenn du nur sagst „Er war traurig“, bleibt das abstrakt. Wenn du aber zeigst, wie er sich verhält, kann sich dein Publikum in die Figur hineinversetzen. - Es steigert die emotionale Wirkung.
Wir erinnern uns an Bücher, die uns fühlen lassen. Eine Szene, die in den Magen trifft oder Gänsehaut verursacht, bleibt lange im Gedächtnis. - Es macht die Geschichte lebendiger.
Anstatt eine lange Liste von Eigenschaften und Gefühlen zu lesen, erleben deine Leser aktiv, was passiert – als würden sie in einen Film eintauchen.
Wie du „Show, don’t tell“ in deinen Text einbaust
1. Nutze Sinneseindrücke
Achte auf die Sinneseindrücke, wenn du eine Szene beschreibst. Wie fühlt sich der Boden an? Wie riecht die Luft? Welche Geräusche sind zu hören?
- Tell: „Der Keller war unheimlich.“
- Show: „Die kühle Luft roch nach feuchtem Stein, irgendwo tropfte Wasser. Schatten tanzten über die Wände, während die nackte Glühbirne über ihrem Kopf flackerte.“
Durch die Details entsteht Atmosphäre, ohne dass du „unheimlich“ explizit sagen musst.
2. Zeige Emotionen durch Körpersprache
Gefühle lassen sich oft an Bewegungen ablesen. Nutze das!
- Tell: „Sie war wütend.“
- Show: „Sie knirschte mit den Zähnen, ihre Hände verkrampften sich zu Fäusten. Als sie sprach, bebte ihre Stimme.“
Tipp: Frage dich immer: Wie würde sich eine echte Person in dieser Situation verhalten?
3. Nutze Dialoge für indirekte Charakterisierung
Charaktere sollten nicht nur sagen, wie sie sich fühlen – sondern es durch ihren Tonfall, ihre Wortwahl oder ihre Reaktionen zeigen.
- Tell: „Ich bin wirklich wütend!“
- Show: „Ach, weißt du was? Mach doch, was du willst!“ Sie stieß den Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
Tipp: So fühlt sich der Konflikt echter an, weil die Figur nicht nur wütend ist, sondern sich auch so verhält.
4. Setze auf starke Bilder und Metaphern
Bilder sagen mehr als tausend Worte – und das gilt auch für Texte.
- Tell: „Er war nervös.“
- Show: „Seine Finger trommelten im Takt eines unsichtbaren Liedes auf den Tisch, als wäre er ein Pianist vor dem ersten großen Auftritt.“
Tipp: Eine gute Metapher kann Emotionen und Stimmungen viel eindrucksvoller vermitteln als eine bloße Aussage.
Wann ist „Tell“ erlaubt?
Nicht alles muss mit langen Beschreibungen „gezeigt“ werden. Manchmal ist ein kurzer Tell effektiver:
- Übergänge: „Drei Tage später erreichte sie die Stadt.“
- Nebensächliche Informationen: „Sie war 29 Jahre alt.“
- Innerer Monolog: Wenn eine Figur bewusst ihre Gedanken formuliert („Ich hasse ihn.“).
Tipp: Die Kunst liegt im Gleichgewicht: Zeige wichtige Momente, erzähle Nebensächliches.
Häufige Fehler beim „Show, don’t tell“ – und wie du sie vermeidest
🚫 Zu viele Details
- Schlecht: „Ihre Finger zitterten leicht, während sie das Glas mit beiden Händen umklammerte, als hinge ihr Leben davon ab. Der Ring an ihrem linken Mittelfinger reflektierte das matte Licht der Straßenlaterne.“
- Besser: „Sie klammerte sich ans Glas, als könnte es ihr Halt geben.“
🚫 Show an der falschen Stelle
Wenn der Taxifahrer nur eine Randfigur ist, brauchst du keine ausführliche Beschreibung seiner Haltung und seines Gesichtsausdrucks. Wichtige Show-Passagen sollten für zentrale Figuren und entscheidende Momente reserviert sein.
🚫 Zu viel Innenleben statt Handlung
Innere Monologe sind gut – aber wenn eine Figur ständig denkt statt handelt, kann das den Lesefluss bremsen.
Fazit: Zeigen statt erzählen – aber mit Fingerspitzengefühl
„Show, don’t tell“ ist eines der mächtigsten Stilmittel in der Literatur. Es macht Geschichten lebendig, zieht Lesende tiefer in die Handlung hinein und sorgt für eine emotionale Bindung.
Meine wichtigsten Tipps:
- Nutze Sinneseindrücke, um Szenen erlebbar zu machen.
- Zeige Emotionen durch Körpersprache und Handlungen.
- Lass Dialoge für sich sprechen, statt Gefühle zu benennen.
- Setze Tell bewusst für Übergänge oder unwichtige Details ein.
- Finde das richtige Maß – nicht jeder Satz braucht eine ausführliche Szene.
Bist du unsicher, ob dein Text zu viel Tell enthält? Ich helfe dir gern dabei, die richtige Balance zu finden. Schreib mir eine Nachricht oder sieh dir mein Lektorat-Angebot an.
👉 Wie gehst du mit „Show, don’t tell“ um? Fällt es dir leicht oder hast du manchmal Schwierigkeiten? Schreib es in die Kommentare!
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